Kleine Frauen und große Motorräder

und warum es trotzdem funktioniert

Kleine Frauen und große Motorräder
Kleine Frauen und große Motorräder

Immer wieder stoße ich auf den multimedialen Plattformen auf dieselbe Aussage: Das (Reise)Motorrad ist zu groß für dich. Schau dich doch mal lieber nach diesem * Leser können hier alle Motorräder einfügen – nur kein Reisemotorrad * um. Ich möchte mit diesem Blog ein wenig mit den Vorurteilen gegenüber Kleine Frauen und große Motorräder und nicht immer Hilfreichen Ratschlägen aufräumen.

Punkt 1: Wie groß bin ich?

Nicht alleine die Körpergröße ist entscheidend dafür, welches Motorrad zu dir passt, sondern das Beininnenmaß. Ich selber habe mir von Nico dabei helfen lassen dies bei mir richtig zu bestimmen. Dabei misst man an der Beininnenseite vom Schritt bis auf den Boden. Wichtig dabei ist das man keine Schuhe AN hat. Die verfälschen das Ergebnis. Gerade wenn ich an die Schuhe für Kurzbeinige denke die einen extra Absatz haben.

Punkt 2: Was möchte ich? Und was kann ich?

Für mich stand von Anfang an fest das ich keinen Rennsemmel und auch keine Chopper fahren werde. Für mich war die Entscheidung das ich den Motorradführerschein machen werde auch gleichzeitig ein Zugewinn an Freiheit und die Möglichkeit mehr Abenteuer zu erleben. Daher sollte es eine Reiseenduro werden. Und damit ging es schon los. In den Gruppen wo Männer wie Frauen zu finden sind, fragte ich erst gar nicht. Ich hatte zu oft schon gelesen das man(n) gerne Frau ein völlig anderes Motorrad schönreden wollte. Also suchte ich selber.

Es gibt Hilfreiche Tabellen z.B. vom ADAC wo eine große Auswahl von Motorrädern samt der Größe und Gewicht aufgelistet sind. Das gibt schon mal einen ersten Blick dafür was der Markt zu bieten hat. Eine Tabelle alleine reicht natürlich nicht für die Entscheidung, aber man kann seine Suche schon mal eingrenzen.

Für mich war ein weiteres wichtiges Kriterium das ich am Anfang mit beiden Füßen sicheren Stand habe. Ich bin mit 37 Jahren Anfängerin und habe einfach noch nicht das Gespür für das Motorrad fahren. Ich wollte nicht im Damensitz auf das Motorisierte Pferd beim Anfahren aufsteigen. Erst die Basics, dann der Rest.

Das richtige messen
Quelle: https://www.outdoor-renner.de/blog/wp-content/uploads/2018/11/img-richtig-messen.jpg
Punkt 3: Der Hintern entscheidet!

Ich war mir am Anfang so sicher, dass es eine BMW werden wird. Pustekuchen! Wir waren bei einem Händler vor Ort und es war dermaßen enttäuschend. Sitzbänke die bis auf das Gestell abgepolstert waren, von Werk aus niedrige Maschinen die immer noch viel zu hoch waren, niedrige Maschinen mit wieder unbequemen Sitzbänken. Selbst auf einer perfekt für Kurzbeinige umgebaute Maschine saß ich Probe. Aber mein Hinter sagte immer wieder nein.

Was ich damit sagen möchte: Es ist unwahrscheinlich wichtig das man Probe sitzt! Und wenn die erste Maschine nicht passt, dann muss man einfach die nächste ausprobieren. Ich bin letzten Endes bei einem Privatverkäufer gelandet. Er wollte seine feine Tiger veräußern. Und was soll ich sagen: mein Hinter hatte entschieden! Und nicht nur das – auch die Beininnenlänge passte schon wesentlich besser. Perfekt wurde es dann später!

Punkt 4: Der Umbau

Bevor wir den Kauf besiegelten machten wir uns schlau was wir alles verändern können, wieviel Aufwand es wird und was es kostet. Es gibt mehrere Möglichkeiten was man, je nachdem wieviel Zentimeter Frau braucht, verändern kann.

Fangen wir mit dem einfachsten an:
niedrige Sitzbank
Ich selber habe einen Low Version von Triumph passend zum Tiger. Es gibt aber auch für viele andere Motorräder diese Möglichkeit oder aber wenn man weiß das einem nur vielleicht 2cm zum perfekten Stand fehlen die Möglichkeit das Ganze von einem Sattler abpolstern zu lassen.

Tieferlegungskit per Knochen + Gabel durchstecken.
Mein Tiger hatte beim Kauf eine Tieferlegung von 20mm durch die anderen Knochen schon drin. Wir haben diese allerdings wieder gegen die von Werk eingebauten getauscht. Sollte dem ein oder anderen wirklich nur ein Hauch fehlen, ist das eine schnelle und vor allem recht unproblematische Möglichkeit das Traummotorrad noch etwas tiefer zu bekommen. Wenn man das Heck schon tiefer gelegt hat, sollte man die Gabel auch noch etwas durchstecken so dass es wieder im ausgeglichen ist. Ansonsten büßt man ganz massiv beim Fahrkomfort ein.

Die kleine Betty (Triumph Tiger 800 XRx) neben der großen Pearl (Yamaha Super Ténéré 1200)
Die kleine Betty (Triumph Tiger 800 XRx) neben der großen Pearl (Yamaha Super Ténéré 1200)

Neues Fahrwerk
Wir haben uns letzten Endes für einen professionellen Umbau entschieden. Natürlich ist das sicherlich nicht die günstigste Variante, aber wohlgleich die Variante bei der ich keinen Fahrkomfort einbüße.

Im Vorfeld haben wir uns bei Wunderlich beraten lassen wieviel man bei meinem Traummotorrad machen kann. Vorort habe ich dann auf meinem Motorrad Probe gesessen, während genau gemessen worden ist wieviel Zentimeter wir noch brauchen. Während der Beratung wird auch gefragt ob man mehr Straße oder Offroad fährt, ob man einen Sozius/eine Sozia dabei hat oder regelmäßig Gepäck dazu lädt.

Wir haben uns dabei für das Wilbers Federbein Typ 640 Road mit hydraulischer Vorspannung (808€) und Wilbers Gabelfeder – Zero friction – progressiv (159€) entschieden. Das hat uns -60mm gebracht und in Kombination mit der niedrigen Sitzbank komme ich nun sehr gut mit meinem Tiger zurecht. Wir haben lange über die ganzen Vor- und Nachteile eines Komplett Umbau gesprochen. Wir hätten vieles selber machen können für weniger Geld, aber auch ohne die Gewährleistung zu haben das es perfekt passt bzw. an mich angepasst ist und ob es wirklich alles funktioniert. Ich würde es für mein Traummotorrad wieder so machen!

Lenker anpassen
Was viele vergessen, ist die Tatsache das man vielleicht lange Beine haben kann aber die Arme immer noch zu kurz sind. Ich bin sowohl mit kurzen Beinen als auch mit kurzen Armen gesegnet. Von der Firma Voigt haben wir daher zu dem neuen Fahrwerk eine Lenkererhöhung (30mm) mit Versatz (20mm) eingebaut. Das gibt mir ein wenig mehr Spielraum von Lenker zu den Schultern. Meiner Arme sind nicht mehr auf das maximum gestreckt, sondern haben einen bequemen Winkel. Lenkererhöhungen (mit und ohne Versatz) gibt es für viele Motorräder so dass jeder die einfache Möglichkeit hat, entspannter zu fahren.

Punkt 5: Fazit

Lasst euch nicht davon abbringen euer Wunschmotorrad zu eurem Traummotorrad um zu bauen! Es gibt viele Möglichkeiten das ihr euer Ziel erreichen könnt. Hätte ich darauf gehört, was man(n) mir gesagt hat dann würde ich jetzt ein Chopper fahren. Macht euch Schlau was es für euer Motorrad für Möglichkeiten gibt, schaut bei den Örtlichen Händlern vorbei, fragt im Freundes Kreis ob ihr mal Probesitzen dürft, lest euch in Foren ein (nicht jeder will euch da ein anderes Motorrad aufschwatzen).

Ich selber fahre jetzt seit 6000km eine Tiger 800 XRx mit einem neuen Fahrwerk und das ganze ohne Schummelschuhe. Und freue mich schon auf die nächsten 6000km.

If you want, you can!

3 Gedanken zu „Kleine Frauen und große Motorräder

  1. Hallo Jenni,

    als Mann habe ich auch Probleme mit der Sitzhöhe beim Motorrad. Nach jetzt 12 Jahren mit einer tiefergelegten und abgepolsterten Yamaha FZS 1000 Fazer kam irgendwann der Wunsch nach einem neuen/anderen Motorrad auf. Da ich viele Touren fahre, sollte es ein Motorrad werden, wo man auch gut Touren mit Gepäck mit fahren kann. Da landet man zwangsläufig bei den Reiseenduros. Wenn das Problem mit der Grösse nicht wäre. Probefahrten scheiden komplett aus, waren mir aber wichtig, weil es ja doch viele verschiedene Motorenkonzepte in dem Sektor gibt. V2 (Ducati, KTM), Boxer (BMW), Reihen4 (Kawasaki), V4 (Honda) Reihen2 (Honda), Reihen3 (Triumph) etc.
    Mich interessierte da mehr die Motorcharakteristik als das Sitzgefühl, weil man da doch viel anpassen kann. Bei vielen war ich durch die schiere Masse erschlagen und würde ich mich nie drauf wohl fühlen. Ich wollte aber gerne ein Motorrad so um die 200 kg. Da sind dann meist Motorräder von 6-700 ccm bei, mit entsprechend geringeren Leistung. Also habe ich mich eher in dem Sporttourersegment umgesehen. Leider war da auch nicht viel dabei, was mir auch optisch zusagte.
    Dann interessierte ich mich für die Triumph Street Triple wegen der Leistung und des Gewichtes, ist aber leider nackt und nicht wirklich für Touren, evtl. zu zweit, geeignet. Durch herumsurfen auf der Triumphseite bin ich auf die neue Tiger 900 aufmerksam geworden. Da es die auch in der Low-Variante gibt, konnte ich bei einem Triumphhändler eine Probefahrt mit der Tiger machen und ich war begeistert. Wegen diverser Ausstattungsunterschiede und dem größeren Käuferkreis für eine normalhohe Tiger, habe ich mich für eine normale entschieden und die direkt vom Händler tiefer legen lassen. Somit passt mir die Höhe jetzt gut, habe keinen engeren Kniewinkel wegen tieferer Sitzbank, habe das topausgestattete Modell und kann sie sowohl tiefergelegt, wie auch mit normaler Höhe verkaufen.
    Leider geht der Trend zu immer höheren Motorrädern. Sollten die Hersteller mal drüber nachdenken, ob es sich nicht lohnt, zumindest tiefergelegte Basisausstattungen für Probefahrten anzubieten. aber haben Sie wohl nicht nötig…

    Gruss

    Thom

  2. Ein sehr schöner Beitrag ! Und zwei sehr schöne Motorräder habt ihr da ! Von der Tiger komme ich, bei der Tenere bleib ich ;-).
    Allseits gute Fahrt !
    Enzo

    1. Vielen Dank.
      Wir werden auch bei unseren Motorrädern bleiben.
      Die große alleine schon deswegen weil es sie nun nicht mehr gibt.
      Die kleine weil der Umbau sehr aufwendig war und die noch recht jung ist.

      Dir ebenso eine allzeit gute Fahrt

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